Der Mythos vom besseren Wein aus alten Reben
Es scheint in Fachkreisen eine unbestrittene Tatsache zu sein, dass aus alten Reben qualitativ bessere Weine entstehen. Es gibt auch viele Winzer oder Weinhersteller, die mit dem Hinweis “Alte Rebe”, “viñas viejas”, “vieilles vignes” damit werben. Wir wollten herausfinden, ob etwas an diesem Mythos dran ist und wenn ja, was.
Ab wann gilt eine Rebe als alt?
Dazu wollen wir zunächst einmal versuchen zu klären, wann eine Rebe als alt gilt und welches Alter eine Rebe erreichen kann.
Es gibt keine Vorgaben, ab wann eine Rebe als alt angesehen werden soll, es kursiert jedoch das Alter 30, manchmal auch 35 Jahre.
Eine Rebe bringt nach 5-10 Jahren ihre höchsten Erträge [1], danach beginnt die Rebe zu altern und der Ertrag lässt langsam nach. Manche Reben haben bereits mit 25 Jahren das Ende ihres Lebenszyklus erreicht und sind ab diesem Alter aufgrund schwindender Ertragsfähigkeit nicht mehr wirtschaftlich. Dieses Alter kann man jedoch nicht generalisieren und ist nicht auf jede Rebe übertragbar.
Die älteste bekannte Rebe, die noch zur Weinherstellung verwendet wird, ist die Žametovka-Rebe in Maribor in Slowenien [2]. Sie soll bereits seit dem 17. Jahrhundert bestehen und hat demnach ein Alter zwischen 300 und 400 Jahren. In Südtirol steht eine 350 Jahre alte Versoaln-Rebe. Es gibt weitere Beispiele für alte Reben in dem Artikel Wikipedia Artikle “Old vine” [2], die ich hier nicht alle aufzählen will, das ist auch nicht der Inhalt des Blogs.
Gibt es einen Zusammenhang zwischen dem Alter der Rebe und der Qualität des Weines?
Junge Reben bis zu einem Alter von 3-5 Jahren werden nicht zur Herstellung von Qualitätsweinen eingesetzt, da sie noch nicht vollständig entwickelt sind und ihre Laubwand noch unvollständig und löchrig ist. Es gibt jedoch auch Winzer, die der Meinung sind, dass gerade diese jungen Reben in der Lage sind, Trauben für Weine ausgezeichneter Qualität hervorzubringen [4].
Der Vorteil alter Reben gegenüber jungen liegt nach [1] in dem grösseren Altholzanteil und dem grösseren Wurzelballen, der die Pflanzen gegenüber Trockenstress resistenter macht, da das Altholz und der grössere Wurzelballen mehr Reserven bieten, von denen die Pflanzen zehren kann.
Aber der Saftfluss kann durch einen höheren Grad an Verholzung auch beeinträchtigt sein, wodurch weniger Wasser in die Trauben gelangt und die Konzentration der Inhaltsstoffe dadurch steigt.
Es wird auch die These diskutiert, dass ältere Reben tiefer wurzeln und dadurch während Trockenperioden besser Zugang zu tiefer gelegenen Wasserreserven haben. Da in diesen Tiefen, wir sprechen von ca. 15 – 20 Metern andere Bodenschichten vorhanden sind als in geringeren Tiefen, unterscheidet sich auch das Angebot an Mineralien. Diese müssen jedoch in gelöster Form vorliegen, um aufgenommen werden zu können.
Andere Autoren wiederum behaupten, dass dieser Mineralstoffanteil keine grosse Rolle spielt, sondern der Mineralanteil nahe der Erdoberfläche ausschlaggebend ist, da die Pflanze dort feinere Wurzeln ausbildet, die für die Aufnahme der Mineralstoffe besser geeignet sind.
Einflussfaktoren auf die Qualität des Weines
Sehen wir uns doch einmal an, welche Faktoren auf die Qualität des Weines Einfluss haben. Da ist zum einen das Klima, Makro- und Mikroklima. Je nach Breitengrad wachsen Reben in unterschiedlicher Qualität. Aber so weit möchte ich gar nicht ausholen.
Dann haben wir natürlich noch das Terroir. Das ist ein weit fassender Begriff zu dem
- das Mikroklima gehört
- der Boden mit seinen organischen Bestandteilen
- den Mineralien
- seinen Mikroorganismen, die neben Enzymen wesentlich an der Aromabildung beteiligt sind
- der Topologie
- der Rebsorte und nicht zuletzt
- dem Winzer und Önologen, welche durch Rekultivierungsmaßnahmen wie
- Bewässerung,
- Düngung,
- Laubmanagement,
- Rückschnitten der Trauben,
- Einsatz von Hefebakterien und der
- Art der Bebauung
einen grossen Einfluss auf das Geschmacksprofil eines Weines nehmen.
Nicht zuletzt hat auch noch die Bodentemperatur einen großen Einfluss auf die Aromabildung, die ebenfalls vom Bodenprofil und der Art der Bebauung abhängig ist.
Bei so vielen Einflussfaktoren ist es höchst unwahrscheinlich, dass ein Unterschied im Aroma und dem Geschmack eines Weines oder einer Weinsorte eindeutig dem Alter der Reben zugeordnet werden kann.
Erkenntnisse aus der Forschung
Die Hochschule Geisenheim hat sich ebenfalls diesem Thema gewidmet und ein Projekt “Alte Reben” gestartet. In diesem Projekt hat man versucht die oben genannten Terroir Einflüsse wie Mikroklima, Unterschiede in der Bodenbeschaffenheit etc. auszuschließen. Es wurden Reben unterschiedlichen Alters (8, 26 und 50 Jahre) gepflanzt und es wurden die analytischen Ergebnisse aus den Beereninhaltsstoffen, Weininhaltstoffen und Weinsensorik untersucht um festzustellen wo Unterschiede im Wein festzustellen sind – wenn überhaupt.
Es wurde zudem mittels Folienabdeckung ein Trockenstresstest durchgeführt. Die Versuche wurden über einen Zeitraum von mehreren Jahren durchgeführt. In allen Versuchsjahren wurde ein Wein von allen 3 Altersrebsorten unter gleichen Bedingungen hergestellt und analytisch als auch sensorisch untersucht. In den ersten beiden Jahren unterschieden sich die jungen Reben von den beiden anderen Altersstufen, da sie noch nicht vollständig entwickelt waren. Danach, nach der vollständigen Entwicklung der jungen Reben, konnten analytisch und sensorisch keine Unterschiede mehr festgestellt werden [3]. Es wurde anhand dieser Ergebnisse der Schluss gezogen, dass ältere Reben im Vergleich zu jungen Reben keine Weine unterschiedlicher Qualität produzieren. Diese Aussage widerspricht der gängigen Meinung.
Wer das gerne noch einmal im Original nachlesen möchte, findet nachfolgend die Links und Referenzen zu den entsprechenden Quellen.
Referenzen
[1] | Die Welt der Rebsorten, Martin M. Schwarz, 03.2003, Hoffmann und Campe, ISBN 3455303307 |
[2] | Wikipedia Artikle “Old vine”: https://en.wikipedia.org/wiki/Old_vine |
[3] | https://www.hs-geisenheim.de/praxis/wein-sensorik/rebalter/ |
[4] | Das Oxford Weinlexikon, Jancis Robinson, Hallweg Verlag 2003, 2. Auflage |